Die Welteislehre, eine pseudowissenschaftliche Theorie aus dem frühen 20. Jahrhundert, entwickelt von Hanns Hörbiger, ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie unwissenschaftliche Ideen zeitweise große Popularität erlangen können. Sie zeigt, wie der Wunsch nach einfachen Erklärungen für komplexe Phänomene zu bizarren und unhaltbaren Konzepten führen kann. Hanns Hörbiger, ein österreichischer Ingenieur ohne formale akademische Ausbildung in Astronomie oder Physik, stellte 1913 eine revolutionäre, aber wissenschaftlich unbegründete Hypothese auf. Inspiriert durch seine Erfahrungen in der Wärme- und Kältetechnik und angeregt durch die Beobachtung des Mondes postulierte er, dass der Mond aus Eis bestehe. Seine Theorie stellte Eis und Feuer als die fundamentalen Kräfte dar, die das Universum formten. Hörbigers Theorie besagt, dass einst ein riesiger Planet aus Eis und Metall mit einem massiven Stern kollidierte, was zu einer Explosion führte, die das Universum formte. Aus den Trümmern und dem gefrorenen Wasserdampf entstanden die Milchstraße und die Planeten. Hörbiger ging davon aus, dass viele Planeten unseres Sonnensystems, darunter Mars, Jupiter und Saturn, vollständig aus Eis bestehen.
Die Welteislehre stand in direktem Widerspruch zu etablierten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Astronomische Beobachtungen und physikalische Gesetze widerlegten Hörbigers Annahmen. So konnte beispielsweise die Vorstellung, der Mond bestehe aus Eis, durch Beobachtungen der Mondtemperatur und der Beschaffenheit seiner Oberfläche leicht widerlegt werden. Auch Sonnenflecken bestehen nicht aus Wasserdampf, sondern sind heiße Bereiche, die durch Magnetfelder beeinflusst werden. Trotz der offensichtlichen wissenschaftlichen Fehler erlangte Hörbigers Theorie eine bemerkenswerte Popularität. Sie wurde von der breiten Öffentlichkeit und sogar von politischen Bewegungen wie dem Nationalsozialismus aufgegriffen. Die NS-Ideologen sahen in der Welteislehre eine „deutsche“ Alternative zu den „jüdischen“ Theorien Einsteins und der Quantenmechanik. Diese politische Vereinnahmung trug zu ihrer Verbreitung, aber auch zu ihrem Niedergang nach dem Zweiten Weltkrieg bei.
Die heute fast vergessene Welteislehre bleibt ein lehrreiches Beispiel dafür, wie pseudowissenschaftliche Ideen Einfluss gewinnen können, wenn sie auf ein gesellschaftliches Bedürfnis nach einfachen Erklärungen treffen. Sie zeigt, wie wichtig kritisches Denken und wissenschaftliche Methodik sind, um solche irreführenden Theorien zu entlarven und zu widerlegen. Die Geschichte der Welteislehre dient als Mahnung, wissenschaftliche Erkenntnisse stets kritisch zu hinterfragen und nicht mit Wunschdenken oder ideologischen Überzeugungen zu verwechseln. Sie unterstreicht die Bedeutung der Wissenschaft in ihrer Rolle, die Wirklichkeit objektiv zu erforschen und zu erklären, frei von Mythen und unbegründeten Spekulationen.